Segeln auf unruhigem Wasser

Segeln auf unruhigem WasserZittau, 22. Oktober 2022. Von Thomas Beier. Das Segelboot auf unruhigem Wasser ist ein Gleichnis für die Zeit, in die wir seit der Jahrtausendwende vordringen: Die Krisen lösen nicht mehr in gewissen Zeitabständen einander ab, sondern überlagern sich. Das führt zu Interferenzen, die viele verunsichern oder gar an die Existenz gehen.

Abb.: Wissen, was man tut, und ein gutes Team – nur so kommt man beim Segeln gut durch
Foto: wjstokhof0, Pixabay License
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Sicher ist gar nichts – und war es auch noch nie

Ein Beispiel ist die Genussbäckerei "goldjunge", die im Jahr 2017 im Zuge einer Nachfolgelösung entstand und als bayerische Erfolgsgeschichte verkauft wurde. Doch schon 2018 kam es zu einer Insolvenz. Im August 2022 musste die Bäckereikette erneut Insolvenz anmelden, Ursache: Der extreme Anstieg der Rohstoff- und Energiepreise. Einige hundert Arbeitsplätze hängen jetzt davon ab, ob im Zuge des Insolvenzverfahrens erneut eine Sanierung gelingt.

Das Beispiel deutet darauf hin: Sicher ist gar nichts, weder Wirtschaftsunternehmen noch der eigene Wohlstand oder der Frieden. Schon möchte man den Dale-Carnegie-Klassiker "Sorge dich nicht – lebe!" herauskramen, doch wozu? Die verehrte Görlitzer Buchhändlerin möge verzeihen, aber irgendwann sollte man nach der Lektüre vieler und vor allem der richtigen Bücher in seinem Leben den Punkt erreicht haben, seine grundsätzlichen Entscheidungen nicht von Ratgebern abhängig zu machen.

Missverständnisse beim Denken

Entscheidungen kann man – was seine Vorteile hat – aus dem Bauch heraus treffen oder nach gründlicher Analyse und Bewertung einer Situation. Salopp gesagt: Ein bisschen Hirnarbeit hat noch nie geschadet. Allerdings sind mit dem Denken immer wieder Missverständnisse verbunden. So mancher meint, ein "Querdenken" sei Ersatz für wissensbasiertes und trainiertes Denken.

Überhaupt, so scheint es, erfolgt das konkrete Verhalten sehr vieler Leute – etwa bei Wahlen – vor allem auf der Basis von Instinkten sowie ihrer Wahrnehmungen und Erfahrungen, ergänzt um ein paar Verschwörungsmythen. So entstehende Meinungen sind kein Ergebnis eines Denkprozesses. Wirkliches Denken, das in bislang ungedachte Sphären vordringt, ist überaus anstrengend und man kann es niemandem verübeln, wenn er oder sie dieser Mühe ausweicht.

Denken auf ausgetretenen Pfaden

Im Laufe des Lebens verlieren viele die Lust auf Neues, empfinden Neues gar als verstörend oder bedrohlich. Radiosender nutzen das für sogenannte Formatprogramme, die tagein-tagaus “die besten Hits der 80er, 90er” und was weiß ich dudeln. Das Erstaunliche ist, dass viele sich freuen, wenn sie immer wieder die gleichen Titel hören und damit zugleich auf Neues verzichten. Dieses Beispiel kann man auf viele Gebiete übertragen: Freude macht, was das schon Bekannte bestätigt.

Ziele statt Bewertung

Besonders in den sozialen Netzwerken kann man immer wieder Diskussionen verfolgen, bei denen die Teilnehmer entweder etwas ablehnen oder dem zustimmen. Wer auf Widerspruch stößt, beginnt zu argumentieren, zementiert dabei seine Meinung und Ziel ist es, dem anderen zu beweisen, dass er Unrecht hat.

Kluge Leute verhalten sich anders: Statt stets und ständig andere überzeugen zu wollen, ziehen sie aus Informationen das heraus, was sie nutzen können. Das geht freilich nur, wen man Ziele hat und Informationen entsprechend filtern und bewerten kann.

Orientierung finden

Oft wird das eigene Leben unter dem Einfluss von zwei Bereichen gestaltet; der eine ist: Entweder man kopiert die Lebensweise, mit der man aufgewachsen ist, oder man lehnt genau diese Lebensverhältnisse ab. Der andere Einflussbereich ist das, was andere machen. Dass genau das, was die meisten anderen machen, richtig sein muss, gehört zu den größten Irrtümern, denen man sich hingeben kann. Leider sind auf vielen Gebieten wirklich gute Berater dünn gesät.

Die Gegenwart zu leben und sich nicht ständig um künftige Bedrohungen zu sorgen, das heißt nicht, wie eine Eintagsfliege nicht ins morgen zu schauen. Während jedoch Ziele immer wieder angepasst werden können, gibt es eine Konstante, die ganz persönlichen Werte und Verhaltensnormen, die man sich setzt. Erst das Zusammenspiel der Ziele und der eigenen Maßstäbe erlaubt es, die Gegenwart zu beherrschen und dabei zu versuchen, die Zukunft zu gestalten.

Nachdenken über Altersvorsorge

Um all das praktisch zu erläutern, bietet sich die Altersvorsorge an. Dass die gesetzliche Altersrente nicht ausreichen wird, liegt nicht erst seit der gestiegenen Inflation auf der Hand. Als ergänzende Vorsorge haben viele sogenannte Riester-Verträge unterschrieben. Warum? Weil es alle so machen! Dass das "Riestern" für viele aber völlig unzweckmäßig ist, blieb dabei oft außer Betracht.

Was aber soll man denn tun? Für das Alter Geld sparen und zusehen, wie es von der Inflation entwertet wird? Das macht ebenso wenig Sinn wie manche Finanzprodukte. Werte anzuhäufen bringt das Risiko des Wertverlustes mit sich. Die Geschichte des vergangenen Jahrhunderts ist ein erstklassiges Handbuch der Vermögensvernichtung: Krieg, Inflation, Börsencrash, Enteignung haben die Menschen immer wieder um ihre Lebensleistung betrogen.

Dass man sich vor pauschalen Meinungen hüten sollte, zeigt etwa der Umgang mit Gold. Das begehrte Metall ist aus unterschiedlichen Blickwinkeln recht gut als Anlageobjekt geeignet, im einfachsten Falle kann man einige Goldmünzen kaufen als Vorsorge und sogar mitnehmen, wenn man fliehen muss.

Gold in Krisenzeiten

Allerdings hat eine Goldmünze wie jede Medaille zwei Seiten, die zu bedenken sind. Die eine Seite ist der mit einiger – wenn auch nicht absoluter – Sicherheit auf Dauer ziemlich stabile Wert: Wer bei einer Währungsumstellung statt Geldbündeln eben Goldmünzen hat, könnte unter Umständen einen größeren Vermögensverlust vermeiden.

Die andere Seite: In Krisenzeiten kann man sich auch für Gold kaum etwas kaufen. Im Hungerwinter 1946/47 wanderten schon mal die Eheringe oder anderer Goldschmuck im Tausch gegen ein Brot über den Tisch. Doch Krisen sind endlich und wer sein Gold durch die Krise rettet, kann sogar auf eine Wertsteigerung gegenüber dem Zeitpunkt der Anschaffung hoffen, wobei wie immer gilt: Wie sich der Goldkurs in der Zukunft entwickelt, kann niemand voraussagen – und mag er noch so treuherzig dreinschauen.
Langfristiges Denken braucht bewusstes Denken

Das Problem des langfristigen Denkens

Eines der Probleme menschlichen Denkens ist, dass das Gehirn langfristige Zusammenhänge nur schwer erfassen kann. Wäre jemandem beim Griff zur Zigarette bewusst, dass das durch das Rauchen provozierte Bronchialkarzinom nächste Woche zu erwarten ist – die Zigarette würde nicht angezündet werden. Da es aber vielleicht Jahrzehnte dauert und man zudem das Glück haben kann, vor dem Krebsausbruch an etwas anderem zu sterben, kann das Gehirn die Langzeitfolgen nicht einordnen und der Glimmstängel erglimmt.

Auch bei der privaten Altersvorsorge zeigt sich der Mangel an langfristigem Denken. In jungen Jahren wird der Gedanke ans Alter gern vor sich hergeschoben. So kommt der Punkt, an dem eine wirksame Vorsorge kaum noch möglich ist. Deshalb sollte man rechtzeitig darüber nachdenken; vielleicht motiviert dabei ein alter Spruch: "Lieber 14 Tage lang nachdenken, als ein Leben lang arbeiten!" Doch wer schon nimmt sich 14 Tage Zeit?

Ein anderer Weg

Eine andere Art der Altersvorsorge ist der Aufbau eines Geschäftes, das im Alter ohne wesentliches eigenes Zutun weiterläuft oder von Angestellten ausgeführt werden kann. Womöglich ist es sicherer, statt auf angehäufte Werte auf stetige Gewinnerzielung zu setzen. Oder man setzt auf beides, das geht selbstverständlich auch.

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  • Quelle: Thomas Beier | Foto: Nederlands / wjstokhof0, Pixabay License
  • Erstellt am 22.10.2022 - 17:28Uhr | Zuletzt geändert am 22.10.2022 - 19:10Uhr
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