Werden nach Corona die Karten neu gemischt?

Werden nach Corona die Karten neu gemischt?Zittau, 6. Mai 2020. Der Lockdown des öffentlichen Lebens und weiter Teile der Wirtschaft in den vergangenen Wochen werden noch immer heiß diskutiert. Doch anstelle Befindlichkeiten auszutauschen ist es viel interessanter, sich auf zwei Szenarien einzustellen, meint der Markersdorfer Unternehmensberater Thomas Beier.

Unternehmen mit Sortimenten für Selbstversorger wie beispielsweise dieser Gartenmarkt in Zittau könnten nach der Coronakrise stärkere Nachfrage erfahren
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Sich auf Veränderungen einstellen

Sich auf Veränderungen einstellen
Nach den Umsatzausfällen der vergangenen Wochen erfolgen die Lockerungen der Antiepidemie-Maßnahmen für Baumärkte und ähnliche Anbieter noch rechtzeitig, um ein Stück von der Frühjahrsnachfrage mitzunehmen. Unternehmer sollten sich jedoch auf Dauer auf die Bedingungen der Infektionsgefahr mit nicht medikamentös heilbaren Krankheiten einstellen
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Thema: Corona-Pandemie

Corona-Pandemie

Die Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus (SARS-CoV-2) verlaufen pandemisch. Lebensgefahr besteht bei einer Erkrankung an Covid-19 vor allem für Immungeschwächte und Ältere. Vielfältige Maßnahmen sollen die Ausbreitung verlangsamen, um medizinische Kapazitäten nicht zu überlasten sowie Zeit zur Entwicklung eines Medikamentes und eines Impfstoffs zu gewinnen. Im Blickpunkt stehen auch die Wirtschaft und soziale Auswirkungen.

Von Thomas Beier. Obgleich von vielen gewünscht: Ein vollständiges Zurück zur Normalität in Alltag und Betrieb, wie sie vor dem Auftauchen des Coronavirus SARS-CoV-19 war, wird es nicht geben. Hintergrund ist die Überlegung, dass die aktuelle Corona-Pandemie es wohl nicht die letzte Pandemie mit einem gefährlichen Virus sein dürfte. Außerdem kann das Virus jederzeit wieder aus anderen Regionen der Welt eingeschleppt werden. Natürlich wird eine große Rolle spielen, ob ein Medikament oder ein Impfstoff gegen Covid-19, die durch SARS-CoV-19 ausgelösten Erkrankung, gefunden werden. Damit verbunden ist die Hoffnung, dann auch auf denkbare Mutationen des Virus reagieren zu können.

Blickt man auf den unternehmerisch eher kurzfristigen Planungshorizont von zwölf Monaten, so sind in Deutschland zwei Szenarien zu erwarten, zu denen allerdings nicht die vollständige Ausrottung des Virus gehören wird – diese wäre wohl nur mit Hilfe eines Impfstoffs möglich.

    • Szenario 1
      Die entschlossen ergriffenen Antipandemie-Maßnahmen zahlen sich auch nach der zunehmenden Lockerung der damit verbundenen Beschränkungen weiter aus, die Zahl der Neuinfektionen bleibt auf geringem Niveau.

    • Szenario 2
      Es kommt durch die Lockerungen zu einer zweiten, stärkeren Infektionswelle, die erneut starke Beschränkungen für die Bürger deutschlandweit oder in besonders betroffenen Gebieten mit sich bringt.

In beiden Szenarien bleibt demnach ein Infektionsrisiko bestehen, das in Abhängigkeit von der Region und der Häufigkeit von Kontakten zu anderen, vor allem wechselnden Menschen, abhängt. Damit tritt zwangsläufig ein, was vermieden werden sollte: Risikogruppen müssen für längere Zeit besondere Vorsichtsmaßnahmen in Bezug auf Kontakte walten lassen.

Aus beiden Szenarien lassen sich für Unternehmer wie auch für Privatpersonen, insbesondere für Risikogruppen und deren nahes Umfeld, grundsätzliche Überlegungen ableiten.

Wie sich Risikogruppen auf die Ansteckungsgefahr mit nicht behandelbaren Infektionskrankheiten einstellen werden:

    • seltener einkaufen (bedingt mehr Lagerkapazität)
    • öfter Lieferservice nutzen
    • Menschenansammlungen und öffentliche Veranstaltungen meiden
    • generell das Cocooning – den Rückzug ins Private – verstärken
    • ein Hobby und Erwerbstätigkeiten suchen, die zu Hause ausgeübt werden können
    • Telemedizin nutzen

Woran Unternehmer bei der Ausrichtung ihres Geschäftes denken sollten:
    • Beratung und technische Hilfen zur Lebensmittellagerung, aber auch zur Lebensmittelerzeugung, gewinnen an Bedeutung; dazu könnte auch eine Rückbesinnung auf den Kleingarten und dessen Ausstattung wie etwa Frühbette und ein Gewächshaus gehören
    • Lieferservice bleibt bedeutsam; dabei geht es um Produkte, die zur Auslieferung geeignet sind, entsprechende Transportverpackungen, aus Nachhaltigkeitsgründen möglichst wiederverwendbar und aus Karton, sowie eine Logistik, die mit der anderer Unternehmen intelligent vernetzt ist
    • Mitarbeiter im Home Office und mit flexiblen Arbeitszeiten einplanen
    • Mitarbeiter, die im Betrieb präsent sein müssen, vor Tröpcheninfektionen schützen, etwa durch Abschirmung mit Plexiglas
    • Abhängigkeiten von Lieferanten, Kooperationspartnern und Kunden in Bezug auf deren Pandemieanfälligkeit bewerten und gegebenenfalls abbauen

Die kann alles freilich nur beispielhaft genannt sein. Dennoch lassen sich schon aus diesen einfachen Überlegungen drei Branchenbereiche ableiten, die je nach konkreter Situation unterschiedlich stark betroffen sein werden.

    • Kaum betroffene Branchen sind jene
        • ohne Publikumsverkehr,
        • mit Einzelarbeitsplätzen, die Abstand ermöglichen.
      Beispiele finden sich in IT-Unternehmen, Werkstätten und kleinen Produktionsunternehmen.

    • Mittelmäßig betroffene Branchen sind jene
        • die durch eher wenige persönliche Kontakte gekennzeichnet sind und
        • in denen mit etwas Disziplin Abstand gewahrt werden kann.
      Viele Handwerkbetriebe zählen dazu, Büros von Freiberuflern oder Versicherungen sowie als weiteres Beispiel spezialisierte Händler mit eher geringer Kundenfrequenz. Bei Büros spielt zudem die weitere Digitalisierung durch Dokumentenmanagementsysteme eine Rolle, die bestimmte persönliche Bearbeitungsschritte unnötig macht.

    • Stark betroffene Branchen sind jene
        • in denen persönlicher, räumlich naher Kontakt nicht zu vermeiden ist
        • viele Menschen zusammenkommen
        • die mit viel Reisetätigkeit verbunden sind
      Hierzu zählen personennahe Dienstleistungen, Handelseinrichtungen mit hoher Kundenfrequenz, Freizeitanbieter oder beispielsweise auch Sportstätten.

Wer sein Unternehmen nun als einer stark betroffenen Branche zugehörig sieht sollte überlegen, wie die damit verbundenen Risiken abgebaut werden können. Das ist einfacher gesagt als getan, oftmals jedoch lassen sich Prinzipien aus anderen Geschäftsbranchen übernehmen, wie der wachsende Onlinehandel mit frischen Lebensmitteln wie Obst und Gemüse zeigt. Wie immer liegt es in der Fähigkeit des Unternehmers, Lösungen zu entwickeln, die für seine Zielgruppen besonders nützlich sind.

Fazit

Natürlich führen veränderte Bedingungen im Markt dazu, dass die Karten neu gemischt und verteilt werden. Wirtschaftlich gesehen wird die Corona-Pandemie Gewinner – wie voraussichtlich schon in den nächsten Monaten den Inlandstourismus – und Verlierer – ganz aktuell etwa die Übernachtungsanbieter und Gastronomie sowie Freizeitanbieter, manch einer in allen drei Bereichen zugleich – erzeugen.

Wer sein Geschäft mit den Augen seiner Kunden sieht und zu deren Vorteil denkt hat am ehesten die Chance, auf Erfolgskurs zu bleiben. Es gilt den Punkt zu finden, an dem es für einen Kunden attraktiv wird, für die Beseitigung eines Mangels Geld auszugeben – und Mangel hat die Corona-Pandemie bereits genug erzeugt.

Mehr:
Der Autor ist seit 1994 Inhaber der Beier Consulting, die sich auf Strategieentwicklung nach unterschiedlichen Ansätzen und Problemlösungen für Geschäftsleitungen und verantwortliche Mitarbeiter spezialisiert hat. Ein Teilbereich ist die Entwicklung von Markterschließungsstrategien. In einem weiteren Beitrag äußert er sich über Unternehmensberater und die Bedeutung der Unternehmenskultur für nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg.

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  • Quelle: red / Thomas Beier | Fotos: © Zittauer Anzeiger
  • Erstellt am 06.05.2020 - 13:38Uhr | Zuletzt geändert am 04.08.2022 - 19:24Uhr
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