Bürger Golembiewski wehrt sich erfolgreich gegen Knöllchen

Zittau, 28. Juni 2013. Darüber lacht die Stadt – obgleich es ernst ist: Der Zittauer Steffen Golembiewski widersetzt sich renitent dem hartleibigen Versuch der Ordnungsmacht, ein Knöllchen wegen Falschparkens einzutreiben. Wo sich andere wegen des Aufwands und Ärgers von der Amtsgewalt freikaufen, pocht Bürger Golembiewski auf sein Recht – und bekommt es. "Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich vor Gericht gestellt wurde", so Golembiewski. Zum Schluss fragt er: "Wieviel Ordnungsamt brauchen wir?" Eine illustrierte Fassung der Chronologie steht zum Download bereit.

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Chronologie eines Bußgeldverfahrens

Chronologie eines Bußgeldverfahrens
Die Abbildungen sind der "Chronologie eines Bußgeldverfahrens" mit freundlicher Genehmigung des Autors Steffen Golembiewski entnommen.
Bildquelle: Steffen Golembiewski

Von Steffen Golembiewski. Vorwort: Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich vor Gericht gestellt wurde. Wie aus nachfolgender Chronik der Ereignisse ersichtlich ist, hatte ich alles unternommen, um diesen Prozess zu verhindern. Ich bin über den Umgang mit meinen Einwänden im Ordnungsamt der Stadt Zittau empört.

Weiterhin auch über Unverhältnismäßigkeit der Kehraktionen in der Stadt Zittau, bei der regelmäßig zweimal im Jahr die Anlieger von Zittauer Straßen genötigt werden und sich neue Stellplätze suchen müssen. Dabei wird auf das Parkplatzproblem der Anlieger zunehmend keine Rücksicht genommen. In deren Folge wurde zumindest in meinem Fall ein Prozess provoziert.

1. Abend des 22.10.2012 / Vorabend des 23.10.2012

1.1. Kreuzung Max-Lange-Straße - Von-Ossietzky-Straße / Vier Halteverbotsschilder mit verschiedenen Datumsangaben in jede Richtung. Verbürgen kann ich mich für folgende Beschilderungen: Ostseite der Von-Ossietzky-Straße, Kehrtag 23.10.2012; Südseite der Max-Lange-Straße, Kehrtag 25.10.2012.
Die Westseite der Von-Ossietzky-Straße und die Nordseite der Max-Lange-Straße sollten noch später gekehrt werden.

1.2. Da mein Fahrzeug regelmäßig auf der Von-Ossietzky-Straße (Ostseite) steht, parkte ich am Abend des 22.10.2012 von der Ossietzky-Straße zur Max-Lange-Straße (Südseite) um, da diese ja erst am 25.10.2012 gekehrt werden sollte. (Ich vergewisserte mich über die Beschilderung 25.10.).
Ich stand nun im Abschnitt zwischen Dr.-Friedrich-Straße und Von-Ossietzky-Straße. Damit hatte ich auf die Ankündigung einer Straßenreinigungsaktion reagiert, und keinesfalls die Absicht die Kehraktion zu behindern bzw. eine Verwarnung zu riskieren.

1.3. Nachdem ich mein Fahrzeug auf der Max-Lange-Straße abgestellt hatte, gab es keine weiteren Parkflächen in diesem Abschnitt. Alles war zugeparkt.

2. 23.10.2012


2.1. Gegen 11 Uhr registrierte ich einen Verwarnzettel unter dem Scheibenwischer

2.2. Ich begutachtete die noch vorhandene Beschilderung. Es stand tatsächlich 23.10. auf dem Schild.

2.3. Sofortige telefonische Kontaktaufnahme meinerseits mit dem Ordnungsamt. Man konnte mir nicht weiterhelfen, da der Computer streikte.

2.4. Am Mittag des 23.10.2012 wurden die Schilder vom Verkehr weggedreht / blindgestellt.

2.5. Am Abend des 23.10.2012 standen die Schilder erneut mit der Beschriftung 25.10.2012 in Position und waren für den Straßenverkehr gültig.

2.6. Keine weiteren Aktivitäten meinerseits, da mir die Sache erledigt schien.

3. 02.11.2012

3.1. Zugang einer schriftlichen Verwarnung. Ich hatte mit einer Entschuldigung gerechnet.

3.2. Schriftlicher Widerspruch mit Darstellung des Sachverhalts aus meiner Sicht am 07.11.2012..

3.3. Am 10.12.2012 erhielt ich eine Einlassungsmitteilung. Darin wurde ich aufgeklärt, dass die schilderaufstellende Firma ordnungsgemäß beschildert hatte, und dass eine Umbeschilderung nicht stattfand. Ein Hinweis auf die Umbeschilderung am 23.10.2012 fehlte.
Die Verwarnung wurde nicht zurückgenommen.

4. In der darauffolgenden Woche sprach ich im Ordnungsamt persönlich vor:


4.1. Ich wurde dort belehrt, dass der Bürger grundsätzlich das Recht hat, die Unwahrheit zu sagen. Damit war klar, dass ich als jemand gehört wurde, der von seinem Recht, die Unwahrheit zu sagen, Gebrauch machte.

4.2. Wendung des Gesprächs dahingehend, dass mir einerseits wertvolle Informationen zugänglich gemacht wurden, und andererseits ein Vorschlag zur Abhilfe unterbreitet wurde.

4.2.1. Es wurde am Computer ermittelt, dass am 23.10.2012 sechs (mit mir sieben?) Bürger auf der Max-Lange-Straße verwarnt wurden.
Am 25.10.2012, dem tatsächlichen Kehrtag, wurde niemand verwarnt.

Anmerkung: In der sächsischen Zeitung, Lokalausgabe Zittau vom 26.05.2013, wird im Zusammenhang einer Wortmeldung eines Stadtrates erwähnt, dass Zittau bei innerstädtischen Kehraktionen täglich, gültig für das gesamte Stadtgebiet ca. sieben Verwarnungen ausspricht.

4.2.2. Der Leiter des Ordnungsamtes schlug mir vor, dass ich den Bußgeldbescheid abwarte, und diesem widerspreche. In diesem Fall würde er sich erneut und intensiv mit dem Sachverhalt auseinandersetzen. Er sicherte zu, dass er bei Aufkommen geringster Zweifel das Bußgeldverfahren einstellen würde. Im Falle einer erneuten Ablehnung dieses Widerspruches, wäre mein finanzielles Risiko auf 38,50 Euro begrenzt.

5. Am 24.01.2013 erhielt ich den Bußgeldbescheid, gegen den ich am 25.01.2013 Einspruch erhob.

6. Am 20.02.2013 erhielt ich ein Schreiben mit der Information, dass der Bußgeldbescheid nicht zurückgenommen wird.

Allerdings ergab sich neuer Wissensstand. Auf Grund einer defekten Kehrmaschine, wurde eine Umbeschilderung im Verlauf des Vormittags vom 23.10.2012 zugegeben.

6.1. Damit wurde das Versprechen des Ordnungsamtsleiters, bei geringsten Zweifeln das Bußgeldverfahren einzustellen, nicht gehalten, da aus meiner Sicht jetzt bereits drei Gründe vorlagen, die es in Frage stellten:

6.1.1. Erstens:
Ein mündiger Bürger widerspricht mehrfach telefonisch, schriftlich und mit persönlichem Erscheinen im Ordnungsamt dem Verfahren.

6.1.2. Zweitens:
Die ungewöhnlich hohe Anzahl an Verwarnungen an diesem Tag, an einer vergleichsweise kurzen Zittauer Straße.

6.1.3. Drittens:
Der Fakt, dass die Max-Lange-Straße tatsächlich erst am 25.10.2012 gereinigt wurde, aus welchen Gründen auch immer, und somit, wie ursprünglich auch ausgeschildert.

7. In der darauffolgenden Woche wurde von mir die Länge der Max-Lange-Straße gemessen.

Sie beträgt 400 Meter. Daraufhin telefonierte ich wieder mit dem Leiter des Ordnungsamtes um erneut darauf hinzuweisen, dass am 23.10.2012 etwas schief gelaufen sein musste. Das Gesprächsergebnis war unbefriedigend. Außer erneuter Belehrungen über den Rechtsweg wurden meine Einwände nicht anerkannt.

8. Zu meiner Verteidigung fertigte ich mit großem Aufwand ein 5,5 Meter langes Papierbanner an, auf dem die Max-Lange-Straße (Südseite) fotografisch abgebildet ist.

Daraus wird ersichtlich, dass dort an normalen Tagen keine 20 Autos parken.

9. Um meine Einwände im Prozess illustrieren zu können, unternahm ich weitere Aktivitäten.


So fertigte ich am Abend des 27.05.2013 erneut Fotos an, um zu belegen, wie die Anwohner auf Beschilderungen solcher Art reagieren. Dies war mir möglich, da am 28.05.2013 die Max-Lange-Straße erneut gekehrt werden sollte und sich somit Vergleichsbilder ergaben.

Mich interessierte besonders der Bereich zwischen Dr.-Friedrich-Straße und Von-Ossietzky-Straße, da er zu meiner Verteidigung dienlich sein könnte. Auf den Bildern ist ersichtlich, dass bereits am Vorabend einer solchen Kehraktion die Straße von den Bürgern freigestellt wird. Es parkte kein einziges Fahrzeug in diesem Bereich. (Siehe folgende Bilder) Anm. d. Red.: Bilder im Download

10. Da am 18.06.2013 eine besonders bürgerunfreundliche Beschilderung der Von-Ossietzky-Straßeerfolgte, fotografierte ich auch diese.

Die Fotos belegen, dass am 21.06.2013 diese dicht besiedelte Straße an der sehr viele Fahrzeuge parken, für eine Kehraktion beidseitig geräumt werden sollte. Damit haben einerseits die Anwohner keine Möglichkeit ihr Fahrzeug wenigstens auf der gegenüberliegenden Seite zu parken, andererseits können z.B. nicht einmal soziale Dienste ihre Klienten aufsuchen, ohne große Umwege in Kauf nehmen zu müssen. Es handelt sich schließlich um absolutes Halteverbot.

11. 24.06.2013 / Einen Tag vor dem Prozesstermin am Zittauer Amtsgericht


Ich brachte meine Verteidigungsschrift, für deren Anfertigung ich einen ganzen Sonntag brauchte zum Gericht.

Darin stellte ich auch Beweisanträge. Ich bat folgende Personen als Zeugen zu laden: Den Mitarbeiter, welcher die ordnungsgemäße Beschilderung bezeugte.

Folgende Fragen hätten mich interessiert:
- Wer hat sie zum Einsatzort gerufen?
- An welcher der fünf Kreuzungen auf der Max-Lange-Straße stand das Halteverbotsschild, welches sie bezeugen können?
- Auf welche Art und Weise kommunizieren sie mit der Schilder aufstellenden Firma, bzw. woher haben sie Kenntnis von der Existenz von temporären Halteverbotsschildern?
- Sind ihnen Bürger aufgefallen, die schnell noch ihr Auto in Sicherheit bringen wollten?
- Wurden sie von Autohaltern darauf angesprochen, dass am Vortag noch anders beschildert war?
- Nach Angaben des Ordnungsamtes wurden am 23.10.2012 mindestens sechs Fahrzeughalter auf der Max-Lange-Straße verwarnt. An welcher der vier Straßenabschnitte standen die verwarnten Autos?
- Haben sie sich über die hohe Zahl von Verwarnungen auf dieser kurzen Straße gewundert?
- Haben sie Ihre Beobachtungen aktenkundig gemacht?

Ein Vertreter der Schilder aufstellenden Firma.

Dem ich folgende Fragen stellen wollte:
- Wann wurden die Schilder aufgestellt?
- An welchen Kreuzungen/wo wurden die Schilder überall aufgestellt?
- Welches Datum stand auf den Schildern?
- Wann und wo wurden die Schilder beschriftet?
- Wie sicher sind die Schilder gegen Manipulationen?
- Gibt es Fälle, bei denen bereits beschriftete Schilder an Ort und Stelle noch einmal geändert werden müssen?
- Wie werden Änderungen an den Beschilderungen dokumentiert oder protokolliert?
- Waren Lehrlinge/Azubis/Hilfsarbeiter an der Aufstellung der Schilder beteiligt?
- Wie war am 23.10.12 der Kehrplan? In welcher Reihenfolge sollten die Von-Ossietzky-Str. und die Max-Lange-Straße gekehrt werden?
- Wann ging die Kehrmaschine kaputt?
- Welche weiteren Auswirkungen auf den Kehrplan hatte der Defekt der Kehrmaschine?
- Wann war die Kehrmaschine wieder einsatzbereit?
- Ist es üblich, dass zwei sich überkreuzende Straßen am selben Tag gekehrt werden?

Als weitere Zeigen sollten die am 23.10.2013 verwarnten Bürger vom Amt namhaft gemacht und ebenfalls gehört werden. Sie hätten meine Version vom Tatverlauf sicher bestätigt.

12. 25.06.2013 kurzer Prozess


Der Richter hatte meine Verteidigungsschrift gelesen.

Ich erhielt die Möglichkeit, die wesentlichsten Punkte persönlich vorzutragen.

Es waren keine Zeugen geladen.

Der Richter verzichtete auf eine aufwendige Beweisführung, da ihm dies in Anbetracht des geringen Streitwerts nicht angemessen schien. Weiterhin fand er die vom Ordnungsamt vorgelegte Akte als wenig aussagekräftig.

So stellte er den Prozess auf Kosten der Staatskasse ein.

In wiefern meine Argumentation auf die Einstellung des Verfahrens eine Rolle spielte lässt sich schwer einschätzen. Damit fand die Sache jedenfalls einen Abschluss.

Was bleibt, ist die Frage, ob sich der Aufwand, den ich hätte für 15 Euro vermeiden können, gelohnt hat.

Und natürlich auch die Frage wie viel Spaß es dem Ordnungsamt bereitet, unschuldige Menschen wegen einer 15 Euro Forderung vor Gericht zu bringen.

Die Balance zwischen Befriedigung des Ordnungs- und Sicherheitsbedürfnisses der Bürger auf der einen Seite, und dem Gefühl von einer omnipotenten Ordnungsbehörde permanent überwacht und bestraft zu werden ist in Zittau ja ohnehin schon gestört. Wieviel Ordnungsamt brauchen wir?

Download!
Illustrierte Fassung der "Chronologie eines Bußgeldverfahrens"


Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Steffen Golembiewski betreibt in Zittau die Firma "Golo Videoproduktionen".


Mehr:
https://www.golo-pictures.de

Update:
Werden die Parkgebühren tatsächlich immer wie vorgeschrieben gezahlt oder spielt mancher Lotto und setzt darauf, von den Politessen nicht erwischt zu werden? Überall ist Zahlungsmoral ein Thema, auch im Zittauer Anzeiger vom 7. September 2022.

Ergebnis: Werden Knöllchen gerecht verteilt?

zu rigide (18.5%)
 
oft an falscher Stelle (45.2%)
 
nicht konsequent genug (34.9%)
 
keine Ahnung (1.4%)
 
Nichtrepräsentative Umfrage
Umfrage seit dem 29.06.2013
Teilnahme: 146 Stimmen
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  • Quelle: red | Stellen Golembiewski | Abbildungen: Steffen Golembiewski
  • Erstellt am 28.06.2013 - 10:21Uhr | Zuletzt geändert am 06.02.2023 - 14:34Uhr
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