Mutmaßlich ist die richtige Präsentation im Rahmen eines Auftritts alles?
Zittau, 10. September 2020. Zwar sind die Überschrift wie auch die Bildunterschrift eher Wortspiele aus häufig verwendeten Begriffen, doch achtet man ein wenig auf die Entwicklung vor allem der Mediensprache, dann fallen zunehmend Floskeln auf. Steht das nun dafür, dass bestimmte Bereiche immer wichtiger werden oder eher für eine geistige Verflachung? Der Zittauer Anzeiger hat drei Beispiele von Formulierungen, wie sie durchaus häufig anzutreffen sind, aufgegriffen und beleuchtet.
Einfach mal weglassen: mutmaßlich / im Rahmen des / präsentieren
Möglicherweise bildet ja jede gesellschaftliche Entwicklungsstufe ihren eigenen Sprachgebrauch heraus. So lieferte etwa Victor Klemperer mit "LTI – Notizbuch eines Philologen" im Jahr 1947 eine detaillierte Analyse des Sprachgebrauchs während der Nazidiktatur – LTI steht für Lingua Tertii Imperii, die Sprache des Dritten Reichs – und konnte sogar zeigen, wie das Nazigedankengut im Sprachgebrauch unbewusst fortlebte, als der Führerstaat längst untergegangen war.
Korrekte Sprache vs. Gendersprache
Die heutigen Sprachveränderungen wurzeln einesteils im Bestreben, Sprache bewusst korrekt einzusetzen. Beispiele sind etwa "Tschechien" statt der von den Nazis abwertend benutzten Bezeichnung "Tschechei" oder aktuell "Belarus" statt "Weißrussland", um diesen Staat nicht unterschwellig Russland zuzuordnen. Die in vielen Bereichen forcierte Gendersprache allerdings, die im Rundfunk dank der in der Schrift mit ":" oder Gendersternchen dargestellten Kunstpause vor "innen" als "Schluckauf-Sprache" wahrgenommen wird, dient nicht der Sprachkorrektheit, wie sie im grammatikalischen Geschlecht definiert ist.So sprach Dirk Birgel, Chefredakteur der Dresdener Neuesten Nachrichten (DNN), im Februar des Jahres bei seiner Laudatio zur Verleihung eines Spezialpreises für die Ausstellung des Zittauer Epitaphienschatzes in der Klosterkirche Zittau gar von einer "Genderfalle", in die er nicht tappen wolle. Tipp: Die Benennung der unterschiedlichen Geschlechter sollte immer dann erfolgen, wenn sie dazu beiträgt, eine geschlechtsspezifische Benachteiligung oder Bevorzugung zu vermeiden wie etwa bei einer Stellenausschreibung, wo sie sogar vorgeschrieben ist. Allerdings empfinden manche Frauen weibliche Berufsbezeichnungen als diskriminierend, weil sie früher abwertend genutzt wurden, so beispielsweise die "Schauspielerin" oder als doppel-weibliche Anrede die "Frau Doktorin".
Formelhafte Redewendungen
Ein anderer Bereich sind gedankenlos benutzte Sprachroutinen, die insbesondere die Mediensprache stark durchdringen.● Mutmaßlich
Nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche im Jahr 2016 begann in den Medien das Wort "mutmaßlich" zu dominieren und merzte Begriffe wie "vermutlich", "verdächtig", "anzunehmend", geschweige denn "wahrscheinlich" und "unwahrscheinlich" aus. Im Deutschlandfunk war in korrekter Weise vom damals noch auf der Flucht befindlichen "mutmaßlichen" Attentäter die Rede, im gleichen Beitrag allerdings auch vom "mutmaßlich" zur Tat benutzten Lkw – doch am Tatfahrzeug bestand zu keinem Zeitpunkt ein Zweifel, war es doch am Ort des Attentats zurückgelassen worden.
Heute hat "mutmaßlich" – wohl auch als Ausdruck übertriebener Korrektheit – einen festen Platz in den Nachrichtensendungen.
● Im Rahmen des
Sind Fördermittel im Spiel, legen besonders öffentliche Fördermittelgeber größten Wert darauf, genannt zu werden. Oft versuchen sie, entsprechende Formulierungen vorzugeben, gar existiert ein vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie veröffentliches "Merkblatt zu den Informations- und Publizitätsvorschriften für den Europäischen Sozialfonds (ESF) Förderperiode 2014-2020", das unter "Das Wichtigste in Kürze" unter Punkt 6. das als gequältes Amtsdeutsch anmutende "im Rahmen des" ins Spiel bringt. Und die Subventionierten halten sich angesichts der letzten beiden Sätze des Merkblattes sklavisch daran: "Die Erfüllung von Informations- und Publizitätsvorschriften wird im Rahmen von Kontrollen geprüft. Die Nichteinhaltung von Informations- und Publizitätsvorschriften kann zu Finanzkorrekturen führen." Gelegentlich wird sogar versucht, die Übernahme der Publizitätsanforderungen des ESF in den Medien zu erzwingen.
Jedenfalls feiert "im Rahmen des" wohl vor allem Dank des ESF fröhliche Urständ auch in weiteren Bereichen und verdrängte andere Formulierungen. Vom Bürger wird unter diesen Umständen der Hinweis auf Fördermittel der Europäischen Union als stereotyp wahrgenommen, was die Europafreundlichkeit nicht gerade steigert.
● Präsentieren
Immer dann, wenn etwas gezeigt oder ausgestellt wird, ist es im Boot: das Wort "präsentieren". Zum Glück nimmt in der Bevölkerung der Anteil derjenigen, denen bei "präsentieren" automatisch "Präsentiert – das Gewehr!" durchs Hirn schießt, kontinuierlich ab. Bei anderen ist "präsentieren" fest mit "auf dem Silberteller" verknüpft. Vielleicht auch deshalb nervt es, wenn immer dann, wenn jemand oder eine Organisation etwas vorstellt, nahezu unisono von "präsentieren" die Rede ist.
Die andere Seite: Gerade Unternehmen und andere, die Aufmerksamkeit benötigen, sind auf eine erfolgversprechende Präsentation ihrer Produkte, Leistungen oder Anliegen angewiesen. Wer wirklich etwas im eigentlichen Sinne präsentieren oder repräsentieren möchte, sollte einen alten Trick nutzen: Schon seit Urzeiten wandern die Augen dank des Aufmerksamkeitszentrums im Hirn bevorzugt zum Licht. Hinzu kommt, dass Helligkeit auch Klarheit und Transparenz symbolisiert. So erreichen etwa Aussteller auf Messen mehr Aufmerksamkeit, wenn sie sich nicht nur vor einer einfachen Messewand präsentieren (Hier passt der Begriff!), sondern die Messewand beleuchtet ist.
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- Quelle: red | Foto: © BeierMedia.de
- Erstellt am 10.09.2020 - 13:03Uhr | Zuletzt geändert am 11.09.2020 - 16:18Uhr
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