Tote gegen lebende Dichter im Zittauer Theater

Zittau, 17. Oktober 2017. Auf die Bühne des Zittauer Hauses des Gerhart-Hauptmann-Theaters Görlitz-Zittau kommt ein merkwürdiges Poetry-Slam-Format: Es heißt "dead or alive" (tot oder lebendig, martwy lub żywy, mrtvých nebo živých, мертвый или живой, mort ou vivant) und lässt verstorbene Poeten wieder auferstehen, die dann auf noch lebende Treffen, um sich mit ihnen zu messen.
Abbildung: Das ist Kerstin Slawek als Rainer Maria Rilke. Die Fotos hat der Görlitzer Fotograf Paul Glaser gemacht.

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Heißt es nun Achselspray oder Axelspray?

Die toten Dichter

Im Gegensatz zu einem normalen Poetry Slam dürfen sich die Darsteller der Wiederauferstandenen kostümieren, wenn sie deren Texte vortragen. Für das Publikum verspricht das, zu einem exorbitanten Spaß zu werden – zumal mit Kerstin Slawek und Caspar Sawade zwei Zittauer Publikumslieblinge mitmischen.

Kerstin Slawek hat ausreichend Chuzpe, Rainer Maria Rilke darzustellen. In dieser Rolle hatte Slawek bereits das Görlitzer Theaterspublikum an den Rand der Ekstase getrieben. Neben Romanen, Erzählungen und Gedichten hat Rilke, der von 1875 bis 1926 lebte, eine enorme Anzahl an Briefen hinterlassen, von denen etwa 7.000 veröffentlicht sind. Für Liebhaber sind die als Reprint erhältlichen Ausgaben der Inselbücherei (Nr. 1: Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke) reizvoll. Auch kursieren nach etliche Feldpostausgaben, viele deutsche Soldaten hatten im zweiten Krieg den Seelenstreichler im Tornister.

Caspar Sawade kommt als der auferstandene Charles Bukowski daher. Es ist zweifelsohne eine Herausforderung, den Anti-Charmeur ("Feminismus existiert nur, um hässliche Frauen in die Gesellschaft zu integrieren") dem Zittauer Publikum zu servieren. Bukowski wurde 1920 in Andernach geboren und starb 1994 in Kalifornien. "Er war ein Stachel im Arsch der Gesellschaft", schreibt die Charles-Bukowski-Gesellschaft und meint vermutlich damit nicht sich selbst.

Gerrard Schueft, ein original Karl-Marx-Städter Kind, gibt Klaus Kinski (geboren 1926 in Zoppot/Danzig, gestorben 1991 in Kalifornien), den von Natur aus ein hochexplosiven Psychopathen-Darsteller und Sprecher. Die von ihm gelesenen Märchen von Oscar Wilde sollte man Kindern allerdings nicht vorspielen.

Die lebendigen Dichter

Gegen diese geballte Leichenschau will sich das Team "Lebendig" durchsetzen. Ohne Verkleidung und Requisiten treten mit ihren eigenen Texten an: die Zittauer Poetin Lisa Maria Kurzmann, Josephine von Blütenstaub aus Leipzig und der Görlitzer Mike Altmann (Ja, er lebt noch! Tritt selbst auf, wird nicht gespielt!).

Wer schließlich siegt - die Lebendigen über die Toten oder die Toten über jene in ihrem Vorstadium – das entscheidet das hochverehrte Publikum. Zwischen den Lebenden und dem Totenreich wandelt Axel Krüger, der den Abend moderiert. Allein wegen der Berührung mit den toten Dichtern reift nun die Erkenntnis, weshalb in "Moderation" das Wort "Moder" in seiner Bedeutung nicht etwa als der Rhein-Parallelfluss durch Frankreich, sondern als "durch Fäulnis und Verwesung entstandene Stoffe" (Duden) steckt. Da hilft nur noch AxelsprayNRTM, Marke Veilchenduft.

Bei allem Kampf zwischen Leben und Tod bleibt doch die Gewissheit, die auch für Dichter gilt: Wer eher stirbt, ist länger tot.

Prädikat: Unbedingt hinhehen!
Dienstag, 31. Oktober 2017, 19.30 Uhr,
Theater Zittau, Theaterring 12, 02763 Zittau.

Für eine Eintrittskarte muss man Euros im Dutzend hingeben. Das funktioniert an den Theaterkassen in Zittau und Görlitz (je Dienstag bis Freitag von 10 bis 18 Uhr, sonnabends zur besten Frühstückszeit von 10 bis 12.30 Uhr), bei stets ungenannten Vorverkaufsstellen und auch online. Restkarten werden an der Abendkasse verwertet, aber wer will schon Karten, die clevere Vorkäufer übriggelassen haben?

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  • Quelle: red | Fotos: Paul Glaser
  • Erstellt am 17.10.2017 - 11:07Uhr | Zuletzt geändert am 17.10.2017 - 12:32Uhr
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