Ein problematischer Dauerbrenner nicht nur in Südostsachsen

Ein problematischer Dauerbrenner nicht nur in Südostsachsen

Zittau, 28. August 2023. In Sachsen zeigt sich seit Jahren eine hohe Zahl an Alkoholabhängigen. Nach aktuellen Angaben der sächsischen Landesstelle gegen die Suchtgefahren e. V. leiden etwa 65 000 Menschen im Freistaat unter Alkoholabhängigkeit. Zusätzlich gibt es rund 100 000 Personen, die Alkohol in einer Weise konsumieren, die als Vorstufe zur Sucht betrachtet wird. Das Barmer-Institut für Gesundheitssystemforschung (bifg) hat zudem 2020 festgestellt, dass 18 von 1000 Bürgern in Sachsen an einer Alkoholabhängigkeit leiden. Dies platziert Sachsen bundesweit auf Rang zwei, direkt hinter Mecklenburg-Vorpommern, wo die Zahl 21 pro 1000 Einwohner beträgt. Im gesamten Bundesgebiet beträgt der Durchschnitt 14 pro 1000, was bedeutet, dass Sachsen etwa 33 Prozent über dem nationalen Durchschnitt liegt.

Im Supermarkt

Bild von Th G auf Pixabay

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Öffentliche Plätze in Zittau als Treffpunkte der Betroffenen

Öffentliche Plätze in Zittau als Treffpunkte der Betroffenen

Frust, Liebeskummer, Langeweile - es gibt viele Ursachen für übermäßigen Alkoholkonsum

Im Landkreis Görlitz liegt die Zahl der Menschen mit massiven Alkoholproblemen bei durchschnittlich 22 pro 1000 Einwohner, was besorgniserregend ist. Dies ist ein Anstieg von etwa 80 Prozent im Vergleich zum Bundesdurchschnitt. Auch in Zittau wird das Thema Alkohol immer wieder zum öffentlichen Thema. Besonders die Grünflächen am Grünen Ring und an der Weberkirche in Zittau sind seit Jahren als Treffpunkt für Trinker bekannt. Das Ordnungsamt erhält regelmäßig Klagen über Lärm und Belästigungen, unangemessenes Verhalten und Abfall. Dies stört nicht nur die Anwohner erheblich, sondern ist auch kein besonders positives Aushängeschild für eine Stadt mit zahlreichen Touristenattraktionen in unmittelbarer Nähe. Es gab Überlegungen, ein Alkoholverbot im Park einzuführen, was aber mit einigen bürokratischen Hürden verbunden ist. Dazu allerdings müsste die Stadt zum Beispiel nachweisen, dass die Zahl alkoholbedingter Straftaten in diesen Gebieten über die Jahre hinweg gestiegen ist. Die Polizei konnte dazu jedoch keinen konkreten Anstieg derartiger Taten bestätigen.


Gesundheitliche Risiken und das Problem der gesellschaftliche Akzeptanz


Menschen mit Alkoholabhängigkeit stecken oft in einem schwierigen Zyklus fest. Während einige wenige es schaffen, eigenständig aus dieser Abhängigkeit herauszukommen, stellt es gleichzeitig ein Problem für die gesamte Gesellschaft dar. Alkohol, ein schädliches Zellgift, gefährdet den Körper unabhängig von der konsumierten Menge. Laut einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation WHO übersteigt die Zahl der durch Alkohol verursachten Todesfälle die Summe der Todesfälle durch Gewalt, Verkehrsunfälle und das HI-Virus – etwa drei Millionen Menschen weltweit. Häufiger oder dauerhafter Alkoholkonsum in größeren Mengen kann bekanntermaßen zu zahlreichen Organerkrankungen und -schädigungen führen. So gibt es auch für eine extrem vergrößerte Milz Ursachen, die auf den Missbrauch von Alkohol zurückzuführen sind. Viel gravierender sind jedoch Lebererkrankungen wie Leberzirrhose, Schädigungen des Gehirns und des peripheren Nervensystems, Herzmuskelverfettung und Herzrhythmusstörungen oder akute und chronische Entzündungen der Bauchspeicheldrüse.


Übermäßiger Alkoholkonsum stellt ein signifikantes Problem dar, welches von der Gesellschaft auch aus ökonomischen Gründen – Brauereien, Spirituosenhersteller und Winzereien wollen ja auch von etwas leben – weitgehend akzeptiert wird. Jeder ist vertraut mit den ausgedehnten Alkoholregalen in Supermärkten: Beispielsweise gibt es allein in jedem der großen Märkte oft rund fünfzig Meter Regalfläche nur für Spirituosen und Wein – und das ist eine konservative Schätzung. In diesem Kontext wird häufig öffentlich diskutiert, ob alkoholische Getränke deutlich teurer und lediglich in speziellen Geschäften verkauft werden sollten. Solche spezialisierten Läden, wie sie in Ländern wie Finnland oder Schweden existieren, könnten das Alter der Käufer besser überwachen. Jedoch greifen im Zweifelsfall die Menschen in diesen Flächen-Ländern bei den hohen Preisen und harten Restriktionen auf selbstgemachten Alkohol zurück.


Suchtberatungsdienste bieten jetzt auch anonyme Online-Konsultationen für Betroffene


In Zittau und im gesamten Landkreis Görlitz sind neben Alkohol nach wie vor einige illegale Drogen sehr präsent. Obwohl der Drogenkonsum nicht signifikant gestiegen ist, hat sich die Art und Qualität der konsumierten Substanzen verändert, wodurch diese teils riskanter geworden sind. Besonders im unmittelbaren Grenzbereich zwischen Deutschland und Polen bzw. Tschechien bleibt der Konsum von Amphetaminen und die unmittelbaren Folgen wie Beschaffungskriminalität ein Dauerthema. Um sowohl Abhängigen als auch potenziellen Konsumenten Unterstützung und Prävention zu bieten, existiert in Görlitz eine zentrale "Psychosoziale Beratungs- und Behandlungsstelle". Dort setzen sich Fachkräfte für die Aufklärung über die Suchtproblematik ein, während in Löbau eine Nebenstelle mit einem weiteren Spezialisten tätig ist. Diese Experten entwickeln individuelle Hilfsstrategien und vermitteln zusätzliche Angebote, um den Betroffenen bei der gesundheitlichen und sozialen Reintegration zu helfen.


Seit fast einem Jahr haben alkohol- oder drogengefährdete Menschen, die Hilfe suchen, nicht mehr die Notwendigkeit, sich physisch bei diesen Beratern zu melden: Die Einrichtung in Görlitz nimmt seitdem als Modellberatungsstelle an "DigiSucht", einer digitalen Suchtberatungsplattform teil. Über diese Plattform bieten Berater aus Görlitz via Chat oder Video-Chat ihre Dienste an. Die Görlitzer Stelle gehört zu rund 40 solcher Modellberatungsstellen in ganz Deutschland; aus Sachsen nehmen insgesamt drei Stellen teil. Interessierte können sich anonym über ihre Postleitzahl auf der Plattform registrieren. Dieses Serviceangebot ist diskret und gebührenfrei. Bei Bedarf kann auch eine persönliche Beratung in Anspruch genommen werden. Dabei geht es nicht nur um Alkohol- oder Drogenabhängigkeiten, sondern auch um Mediensucht, Spielsucht und andere Formen von Verhaltenssüchten.

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  • Erstellt am 28.08.2023 - 09:59Uhr | Zuletzt geändert am 28.08.2023 - 11:24Uhr
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