Studie zu Flüchtlingen und Migration im Landkreis Görlitz wird präsentiert

Landkreis Görlitz, 29. Dezember 2017. Der Umgang mit Migranten und Flüchtlingen in Sachsen hat in den vergangenen Monaten immer wieder für negatives Aufsehen gesorgt. Auch die Oberlausitz stand dabei häufig im Fokus. Das war Anlass, im November 2017 eine repräsentative Bevölkerungsbefragung zum Thema Integration im Landkreis Görlitz durchzuführen. Herausgefunden werden sollte, was die Leute in Zittau, Görlitz und Weißwasser zum Thema denken. Wie sollte aus ihrer Sicht mit Flucht, Migration und Integration umgegangen werden?
Abbildung oben: Ob integriert werden soll oder nicht, auch danach wurde gefragt

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Meinungsbild als eine der Grundlagen für ein Integrationskonzept

Thema: Asyl in Görlitz und Umgebung

Asyl in Görlitz und Umgebung

Flüchtlinge aufzunehmen gebietet nicht nur das Grundgesetz, sondern muss gerade für Deutsche, von denen viele im Zuge des Zweiten Weltkriegs Flucht und Vertreibung selbst erlebten, eine Selbstverständlichkeit sein. Dennoch: Unproblematisch ist das Zusammenleben mit jenen, die Asyl begehren, nicht immer. Doch wer will unterscheiden zwischen "guter Flüchtling" und "schlechter Flüchtling"? Im Zweifel für den Angeklagten, dieser Rechtsgrundsatz muss auch gegenüber dem einzelnen Flüchtling gelten.

Im Land Sachsen ist diese Studie die erste Befragung in einer solchen Tiefe. In Zusammenarbeit mit dem Landratsamt, der kreiseigenen Kultur- und Weiterbildungsgesellschaft sowie Marktforschern von MAS Partners hat das Institut für Kommunikation, Information und Bildung (KIB) 1.000 Personen aller Schichten und Altersgruppen ab 14 Jahren im Landkreis Görlitz befragt. Hintergrund der Studie ist die Entwicklung eines Integrationskonzepts für den Landkreis Görlitz.

Steuerungsgruppe ist aktiv

Eine Steuerungsgruppe aus Verwaltung, Politik und Initiativen will unter Verwendung der Studie Maßgaben, Vorschläge und Ideen zum Thema Integration bündeln und zu einem Konzept weiterentwickeln. Die Steuerungsgruppe tritt regelmäßig an die Öffentlichkeit, um den gegenwärtigen Stand des Integrationskonzeptes zu diskutieren, so erstmals am 13. Dezember 2017, als sich Vertreter aus allen Parteien mit Verwaltungsmitarbeitern und engagierten Bürgern aus unterschiedlichen Organisationen trafen, um den Startschuss für die Entwicklung eines Integrationskonzeptes für den Landkreis Görlitz zu geben und die Ergebnisse der Bevölkerungsbefragung zu diskutieren.

Heike Zettwitz, zuständige Dezernentin im Landratsamt Görlitz, sagte dazu: "Ich freue mich, dass wir jetzt mit dem Integrationskonzept starten. Das war ein gelungener Auftakt am vergangenen Mittwoch. Die Studie ist eine wichtige Grundlage, denn sie zeigt die Meinung der Bevölkerung ganz ungeschminkt."

Wichtigste Befragungsergebnisse

Die Einwohner im Landkreis Görlitz sprechen sich mit 87 Prozent mehrheitlich für eine bestmögliche Integration von Asylbewerbern aus. Gleichzeitig stimmen 77 Prozent der Befragten der Aussage zu, dass Deutschland eine Obergrenze für die Aufnahme von Asylbewerbern braucht. 87 Prozent sind zudem der Ansicht, dass Deutschland ein Einwanderungsgesetz haben sollte, mit dem der Zuzug von Nicht-EUAusländern geregelt wird.

27 Prozent der Befragten meinen, dass möglichst gar keine Asylbewerber in Deutschland aufgenommen werden sollten, während 42 Prozent der Ansicht sind, dass Deutschland uneingeschränkt und bedingungslos politisch verfolgte Asylbewerber aufnehmen sollte. 94 Prozent stimmen der Aussage zu, dass Deutschland politisch verfolgte Asylbewerber zwar aufnehmen, aber im Falle krimineller Straftaten sofort abschieben sollte. Zusammengefasst könnte die Studie auf eine Mehrheitsmeinung der Bevölkerung des Landkreises Görlitz hinweisen, die sich etwa so ausdrücken lässt: "Der Zuzug von Flüchtlingen und Migranten sollte durch eine Obergrenze und ein Einwanderungsgesetzgesteuert werden. Aber wer einmal da ist und nicht kriminell wird, um den sollten wir uns auch bestmöglich kümmern."

Im Hinblick auf den Stand der Integration sehen die Befragten durchaus Handlungsbedarf. Während etwas mehr als ein Drittel der Befragten mit dem gegenwärtigen Stand der Integrationsbemühungen in der Region zufrieden ist, sind knapp die Hälfte der Befragten eher unzufrieden. 16 Prozent der Befragten haben hierzu keine Angaben gemacht. Am deutlichsten wird der Handlungsbedarf anhand der Antworten auf die Frage, ob Migranten und Flüchtlinge in der Region als gleichberechtigte Bürger akzeptiert sind oder nur geduldet werden. 76 Prozent der Befragten meinen, dass Migranten und Flüchtlinge in der Region nur geduldet werden.

Öffentliche Präsentation der Studie
Dienstag, 9. Januar 2018, 13 Uhr,
Landratsamt Görlitz, großer Saal, Bahnhofstraße 24, 02826 Görlitz.



Kommentar:

Eine solche Studie ist eine Blitzlichtaufnahme und liefert kaum Aussagen darüber, ob eine verfestigte Meinung wiedergegeben wird und wie stark diese durch Ereignisse und mediale Darstellungen beeinflusst wurde. Auch die Fragetechnik und nicht zuletzt die Auswahl der Stichprobe hat Einfluss auf das Ergebnis. Dennoch: Entstanden ist ein wertvolles Meinungsbild als Grundlage für ein Integrationskonzept.

Wobei man die Gruppe der Flüchtlinge als Schutzsuchende auf Zeit und jene der Migranten, also derer, die – aus welchem Grunde auch immer – als Einwanderer bleiben wollen, nicht in einen Topf werfen sollte. Wer wegen persönlicher Verfolgung flüchten musste, dem muss geholfen werden, was jedoch nicht in jedem Fall, besonders bei Aussicht auf Rückkehr in absehbarer Zeit, weitestgehende Integration bedeuten muss. Für Einwanderer hingegen können andere Regeln aufgestellt werden.

Der Zustrom von Migranten wird in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Erste Hochrechnungen über Wanderungsbewegungen der Weltbevölkerung aus den frühen 1990er Jahren sehen sich heute bestätigt und übertroffen, die Bevölkerungsexplosion in Afrika wird weiterhin Menschen veranlassen, sich auf die Reise nach Europa zu machen. Wichtig bleibt, dass sich alle EU-Staaten auf einheitliche Regeln vor allem über die Aufnahme von Flüchtlingen verständigen, damit das Rosinenpicken bei der Wahl des Ziellandes der Flucht aufhört.

Verstärkte Integrationsbemühungen sollten übrigens auch jenen Deutschen gelten, die in unserer freiheitlichen und offenen Gesellschaft mit ihren demokratisch-humanistischen Grundwerten noch nicht so richtig angkommen sind,

meint Ihr Thomas Beier


Mehr:
Franz Josef Degenhardt: So sind hier die Leute

Kommentare Lesermeinungen (1)
Lesermeinungen geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung der Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich das Recht zu sinnwahrender Kürzung vor.

Studien sind gut und schön!

Von Seensüchtiger am 01.01.2018 - 14:27Uhr
Unsere Gesellschaft hat entschieden, dass sie Asylsuchenden und Kriegsflüchtlingen dauerhaft Schutz gewährt. Unsere Gesellschaft muss aber auch entscheiden, ob sie Einwanderern, deren Ziel es ist, bessere Lebenschanchen zu finden, zumuten muss, von ihrer Berufstätigkeit leben zu können. Damit verbunden ist die Entscheidung, was unser Sozialstaat leisten soll. Für alle, die hier leben.

Da wäre eine andere Fragestellung, die Ausgangspunkt einer Studie sein könnte, wichtiger: Wie viele der zu uns Kommenden wollen heimkehren, wenn die Umstände, die in ihrer Heimat ihr Leben bedrohen, bedeutungslos geworden sind? Migration meint alles, jegliche Form von Wechsel des Lebensmittelpunktes. Wir wundern uns, dass keine nennenswerte Einwanderung qualifizierter Migranten in unsere Gesellschaft stattgefunden hat.

Wie man es fast versprochen hat? Ist es eine Überraschung? "Der Zuzug von Flüchtlingen und Migranten sollte durch eine Obergrenze und ein Einwanderungsgesetz gesteuert werden. Aber wer einmal da ist und nicht kriminell wird, um den sollten wir uns auch bestmöglich kümmern."

Was geschieht mit einem solchen Befund? Wen kümmert es, dass es offenbar nicht so ist? Welche Regierung verabschiedet ein Einwanderungsgesetz? Ist es so schwer zuzugeben, dass es für Aufnahme und Integration Kapazitätsgrenzen gibt, wenn öffentliche Einrichtungen, Kitas, Schulen überfordert werden?

Unsere Politiker machen aus solchen Fragen ideologische Fragen. Erneuerungsprozesse kann man so nicht gestalten. Dann landet der Schwarze Peter bei den Verwaltungen. Und die Stimmen bei der nächste Wahl wieder rechts außen.

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  • Quelle: red | Grafiken: Landratsamt Görlitz
  • Erstellt am 29.12.2017 - 13:02Uhr | Zuletzt geändert am 29.12.2017 - 14:19Uhr
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