Eine fast unendliche Geschichte oder: „Nicht aus allem Kupfer werden Pfennige gemacht.“

Eine fast unendliche Geschichte oder: „Nicht aus allem Kupfer werden Pfennige gemacht.“

Zittau, 16. September 2023. Der Kilopreis für Kupferkabel liegt aktuell je nach Kupferanteil in den Kabeln zwischen etwa zwei Euro und circa 4 Euro. Ein lukrativer Anlass für „Branchenexperten“, sich immer wieder den Kupferleitungen an der Eisenbahnbrücke zwischen deutschem und polnischem Gebiet (Bahnstrecke Zittau–Görlitz) in der Nähe von Hirschfelde sowie den grenznahen Bahnanlagen zu widmen. Bei spezialisierten Buntmetallhändlern, die nicht nach der Herkunft des organisierten Materials fragen, kann die Beute dann schnell und relativ risikofrei zu Bargeld gemacht werden.

Dauerhaftes Objekt der Begierde: Die "Aschebrücke" bei Hirschfelde

Foto: Neißehai, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

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Die früheren, wilden Jahre der Zugverbindung zwischen Zittau und Görlitz

Das Objekt der Begierde

Allein in den Jahren zwischen 2016 und 2020 verzeichneten Polizei und Bundespolizei 19 Diebstähle oder versuchte Diebstähle mit einem Gesamtschaden von circa 100.000 Euro auf der sogenannten "Aschebrücke" oder in der Nähe davon. Im Jahr 2016 wurde beim dem Versuch, Kabel zu stehlen, auch eine Schrankenanlage in Mitleidenschaft gezogen, 2017 wurden zweimal Signalkabel und einmal Gleishaltespangen entwendet. Rekordjahr war 2018: Sieben Mal wurden hochwertige Bahnsignal- oder Ersatzkabel nebst Kabelverschraubung gestohlen, weitere drei Mal war den Dieben das Glück nicht hold.


In 2019 verschwanden bei zwei Taten fast 600 Meter hochwertiges Telefon- und Bahnsignalkabel. Bei einem weiteren Fall wurde versucht, mittels einer kleinen, frisch geschlagenen Birke einen rund 400 Kilogramm schweren Betondeckel eines Kabelschachtes aufzuhebeln. Nach der Tat wurde der Baum aufrecht steckend und direkt in das Gleis ragend zurückgelassen. Glücklicherweise wurde dies rechtzeitig bemerkt, so dass ein Zugunfall verhindert werden konnte. Im Jahr 2020 hatten besonders dreiste Täter versucht, direkt am Bahnhaltepunkt in Hirschfelde – allerdings erfolglos – Kabel mitgehen zu lassen. Sie öffneten dazu zahlreiche Kanalabdeckungen, um an die Kabel zu gelangen.


Die etwas ruhigeren, mittleren Jahre und der aktuelle Stand


Das Jahr 2021 scheint ein eher ruhiges Jahr gewesen zu sein, möglicherweise waren die Altmetallpreise nicht mehr lukrativ genug oder die gesamte Szene brauchte einfach mal einige Monate Urlaub. Dafür ging es im Frühjahr 2022 mit frischer Kraft weiter: In einem wahren Kraftakt hatten die Diebe die Stahlträger der Hirschfelder Brücke mit einer Flex aufgesägt und die Bahnkabel herausgeschnitten. Bemerkt wurde dies zum Glück rechtzeitig, nachdem die Störung automatisch dem Überwachungssystem der Deutschen Bahn AG gemeldet wurde. Die Polizei fand einen aufgeschnittenen Längsträger vor, das mehradrige Fernmelde- und Sicherungskabel wurde augenscheinlich auf deutscher Grenzseite herausgezogen und abtransportiert.


Im September/Oktober desselben Jahres kam es innerhalb kürzester Zeit zu drei Vorfallen - wieder direkt auf der Brücke. Die Täter hatten dabei stolze 355 Meter mehradriges Fernmelde-, Signal- und Steuerungskabel aus Kupfer gestohlen, der entstandene Gesamtschaden belief sich auf ungefähr 250.000 Euro. Wiederholt musste die Bahnstrecke Zittau - Görlitz gesperrt und ein Schienenersatzverkehr eingerichtet werden. Im Juni 2023 reagierte die Deutsche Bahn AG nun tatsächlich schon! Sicherlich ist diese lange Reaktionszeit auch folgendem Fakt geschuldet: Das eigentliche Bahngeschäft in Deutschland ist - zumal auf Nebenstrecken - für den weltweit agierenden Logistik-Konzern zum oft lästigen Nebenerwerb geworden ist. Im 24 h-Betrieb wird nun die Eisenbahnbrücke zwischen Deutschland und Polen von geschulten Sicherheits-Leuten der konzerneigenen Security in Zusammenarbeit mit der Bundespolizei bewacht.


Angesichts der zahlreichen und manchmal tagelangen Bahnausfälle und der bis dahin angefallen Kosten für die Deutsche Bahn AG ein sehr später Entschluss. Zudem war angedacht, das Diebstahlproblem durch eine einfache, aber geradezu geniale Idee endgültig zu lösen: Das Kabel sollte diebstahlsicher unter der Neiße verlegt werden. Eine zunächst kostenintensive, aber langfristig sicher kostensparender Ansatz. Ganz abgesehen von einer erheblichen Erhöhung der Sicherheit im Bahnbetrieb und der Vermeidung ständiger und zum Teil längerfristiger Verbindungsausfälle! Momentan fällt dem Betrachter allerdings die diebstahlfreundlichste Lösung, die man sich denken kann, sofort ins Auge: Ein oberflächlich verlegter Kabelstrang, in einer Plastikröhre neben dem Gleis verlegt. Bleibt zu hoffen, das dieser nur als Übergangslösung dienen soll.

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  • Erstellt am 16.09.2023 - 13:41Uhr | Zuletzt geändert am 16.09.2023 - 17:19Uhr
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