Mittelschule Seifhennersdorf: Kreistag Görlitz will Fakten schaffen

Landkreis Görlitz | Seifhennersdorf, 18. Juli 2013. Möglicherweise könnte der Mittelschulstandort Seifhennersdorf Bestand haben, wenn er bis zu einem Urteil des des Bundesverfassungsgerichts erhalten bleibt. Diese Chance will der Kreistag Görlitz nicht einräumen.

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Fritz R. Stänker über Strukturpolitik

Für diese Möglichkeit, die für die Stadt Seifhennersdorf wichtige Mittelschule zu erhalten, hatten sich die Kreisräte der Bündnisgrünen am 3. Juli 2013 eingesetzt. Sie wollten erreichen, dass die Mittelschule Seifhennersdorf erneut in den Schulnetzplan aufgenommen und unter Beobachtungsstatus gestellt wird.

Hintergrund: Am 28. Februar 2013 hatte das Verwaltungsgericht Dresden entschieden, das Verfahren der Stadt Seifhennersdorf gegen die Fortschreibung des Schulnetzplanes des Landkreises Görlitz auszusetzen und das Bundesverfassungsgerichtes anzurufen. Das sollte über die Verfassungsmäßigkeit der für die Schulschließung herangezogenen Paragraphen des Sächsischen Schulgesetzes entscheiden.

Schon das Verwaltungsgericht Dresden stellt in der Begründung seines Beschlusses seine Überzeugung klar, dass die sächsischen landesgesetzlichen Vorgaben gegen das Grundgesetz der Bundesrepublik verstoßen. Wenn das auch das Bundesverfassungsgericht so sieht, muss die sächsische Schulnetzplanung auf einer grundgesetzkonformen Landesnorm neu erstellt werden.

Das wiederum könnte dazu führen, dass der Mittelschulstandort Seifhennersdorf weiter bestehen bleiben kann.

Deshalb wollten die Bündnisgrünen erreichen, "die heute um den Bestand ihrer Schule ringenden Eltern und Schüler wie auch die Gemeinde Seifhennersdorf an den Auswirkungen einen solchen Urteils teilhaben zu lassen. Wir finden es fatal, bei einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Sinne des einreichenden sächsischen Verwaltungsgerichtes, vor einer Situation zu stehen, die keine Umsetzung des Urteils mehr ermöglicht, weil die Schule bereits geschlossen ist", so deren Kreisrat Thomas Pilz.

Der Görlitz Kreistag hat dieses Ansinnen der Bündnisgrünen mit 31 zu 36 Stimmen abgelehnt.


Kommentar

Es ist wieder mal die falsche Politik, die sich am Beispiel Mittelschule Seifhennersdorf zeigt, weil an einer Stelle gespart wird, die eine Verschlechterung der Gesamtsituation bewirkt.

Wenn der Kreisrat die Schulschließung befürwortet, um damit auf den demografischen Wandel und die damit verbunden sinkenden Schülerzahlen zu reagieren, verwechselt er im konkreten Fall Ursache und Wirkung.

Unbestritten ist es für die Attraktivität einer Kleinstadt für Eltern - oder deutlicher: für die Familiengründung - maßgeblich, ob Grund- und Mittelschule im Ort sind. Im Verbund mit Kindereinrichtungen nennt man das "kinderfreundliches Umfeld". Ist das nicht gegeben, werden Pärchen darauf achten, dass ihrer Liebe keine Kinder entsprießen oder lieber gleich wegziehen - in Gegenden, wo weitere Standortfaktoren angenehmer sind als in der oberlausitzer Heimat.

Es kann also nicht darum gehen, einen Mittelschulstandort wegen mangelnder Schülerzahlen zu schließen, sondern es geht vielmehr darum, Schülerzahlen zu steigern. Kurzfristig kann der Schlüssel zur Lösung des Problems nur im Erhalt der Mittelschule Seifhennersdorf und - als wirkungsvollster Punkt - im Zuzug von Familien bestehen.

Mittel- und langfristig aber muss das Umfeld für Familien besser werden. Und genau da muss angesetzt werden. Wie ist es bestellt um die Familienfreundlichkeit im Landkreis Görlitz?

Ein ernüchterndes Bild zeigte die zweite "offene Arbeitsplatzbörse" am 10. Juli 2013 in Ebersbach-Neugersdorf: Teilzeit-Arbeitsangebote für Frauen waren die Ausnahme und wurden nur - wenn überhaupt - von sozialen Diensten angeboten. Es dominierten Schichtarbeit und rollende Woche, für Männer Montageeinsätze außerhalb. Hier sind die Unternehmen aufgerufen, mehr Flexibilität an den Tag zu legen, Job-Sharing und Teilzeit bringen zwar Mehraufwand mit sich, sind aber woanders längst fester Bestandteil der Arbeitswelt.

Und: Werden die Alltagsstrukturen aus den Orten entfernt, entfernen sich auch die Menschen. Glücklich die Zeiten, als sich das Leben noch im Wohnumfeld abspielte, als Schule, Laden und Dorfschmied noch im Dorf waren. Auf die Idee, Gewerbegebiete auf bestem Ackerland einzurichten, die dann nur spärlich belegt werden, wäre damals niemand gekommen,

meint Ihr Fritz R. Stänker

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  • Quelle: red | Kommentar: Fritz Rudolph Stänker
  • Erstellt am 18.07.2013 - 05:00Uhr | Zuletzt geändert am 18.07.2013 - 05:24Uhr
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