Egon Bahr, Ehrendoktor des IHI Zittau, ist am 20. August 2015 in Berlin verstorben

Zittau, 21. August 2015. Von Elke Fasler. Eine Erinnerung: Für den 6. Oktober 2008 hatte die kleinste Universität Deutschlands - das Internationale Hochschulinstitut (IHI) in Zittau - zu einer Veranstaltung eingeladen. Im Bürgersaal des Rathauses war kein Stuhl mehr frei. Unternehmer, Vertreter von Vereinen, Verbänden, Institutionen sowie Zittauer Bürger warteten mit Spannung auf die Rede eines Mannes, der durch das IHI für seine Verdienste mit der Ehrendoktorwürde geehrt werden sollte.
Bildrechte: © Flickr "Egon Bahr", Foto: SPD Schleswig-Holstein,
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Verstehen lernen durch Verständigung

Egon Bahr sprach damals weit über eine Stunde zur Europapolitik und über Krisen dieser Welt, ein Schwerpunkt dabei auch die Möglichkeiten der EU-Osterweiterung und insbesondere die Chancen hier im Dreiländereck Deutschland, Polen und Tschechien.

Bereits während des Vortrags erhielt Egon Bahr viel Zwischenapplaus. Bahr begeisterte seine Zuhörer durch die unkomplizierte Art und Weise, wie er die Zusammenhänge der Europa- und Weltpolitik erklärte. Der Sozialdemokrat, der gemeinsam mit Willy Brandt im "Kalten Krieg" den Grundstein für die Wiedervereinigung Deutschlands legte, wirkte auch deshalb überzeugend, weil er differenziert und selbstkritisch über politische Erfolge und Niederlagen sprach und frei jeglicher Ideologie erzählte, wie dieser "Wandel durch Annäherung" in der Ostpolitik erreicht wurde. Nach dem Vortrag und der feierlichen Verleihung der Ehrendoktorwürde gab es lang anhaltenden Beifall.

Ich werde nie vergessen, mit welcher Verwunderung so mancher der Veranstaltungsteilnehmer registrierte, dass so ein prominenter Politiker ohne Bodyguards vor Ort war und dieser vielbeschäftigte Mann sich nach dem offiziellen Teil viel Zeit für persönliche Gespräche nahm. Für Überraschung sorgte auch, als der damals 86-jährige Bahr erzählte, dass er gemeinsam mit seiner Frau per Zug aus Berlin angereist sei. "Nur das Umsteigen in Cottbus war etwas beschwerlich“, sagte er verschmitzt.

Egon Bahr lebt nicht mehr. Sein politisches Vermächtnis ist längst weltweit in internationalen Archiven verewigt und sein Wirken und seine politischen Ideen und Ideale werden zeitlos in der internationalen Politik Beachtung finden. Denn "Wandel durch Annäherung" ist mehr als eine Schlagzeile für eine politische Strategie. Diese drei Worte sind die Formel für ein friedliches Miteinander - im "Kleinen wie im Großen".

Dass wir Zittauer diesen außergewöhnlichen Menschen Egon Bahr direkt erleben konnten, ist dem IHI zu verdanken. Eine Bildungseinrichtung, die gemäß dem Leitbild "ihres" Ehrendoktors die Europapolitik nicht nur theoretisch lehrt, sondern in allen Facetten lebt. Diese Art der Ehrung würde für Egon Bahr eine große Freude sein. Verstehen lernen durch Verständigung…

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  • Quelle: Elke Fasler | Foto: © Flickr "Egon Bahr", Foto: SPD Schleswig-Holstein,Lizenz: CC BY 2.0 Bestimmte Rechte vorbehalten. Bild beschnitten.
  • Erstellt am 21.08.2015 - 00:13Uhr | Zuletzt geändert am 21.08.2015 - 00:39Uhr
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